"Der Schatten malt den Teufel an die Wand ...", so sang einst Juliane Werding - allerdings erst 1991, also kann es schwerlich Werdings Verdienst gewesen sein, daß auf dem Cover von Der Pakt mit dem Teufel ein mysteriöser Herr in den durch eine kreisrunde Fensteröffnung einfallenden Lichtkegel tritt, hierbei einen gehörnten Schatten an die schwefelgelbe Mauer hinter sich wirft und somit als diabolisch entlarvt wird. Vielmehr scheint dieser optische Effekt ein über Jahrhunderte hinweg tradiertes Motiv zu sein ...
Die Cover-Illustration von Der Pakt mit dem Teufel besteht allem Anschein nach aus zwei verschiedenen Teilen, die aufgrund perspektivischer Fehler kein schlüssiges Gesamtbild ergeben. Der Schergen-Toni - er soll es ja wohl sein? - mit Geheimratsecken, kantigen Gesichtszügen, Ziegenbart und stechendem Blick dürfte ganz sicherlich aus irgendeiner Vorlage ausgeschnitten worden sein, die bis heute nicht entdeckt worden ist. Es wären wohl hunderte, wenn nicht gar tausende Grusel- und Horrorcomics zu lesen, bis einem das entsprechende Panel entgegenspringt? Eine gezielte Suche erscheint deshalb aussichtslos. Die im Hintergrund errichtete Mauer mitsamt Schattenbild stammt entweder woandersher oder sie wurde für die Gruselserie ohne viel Aufwand hinzugemalt.
Selbst wenn Porträt und Schatten nachträglich montiert und zuvor jeweils einem anderen Kontext entrissen worden sind, so wäre es dennoch denkbar, daß sich die Gestalter der Gruselserie für dieses Motiv in dieser Kombination von einer älteren Vorlage inspirieren ließen. Vermutungen, dergleichen sei bei Illustrationen von Robert Louis Stevensons Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde (1886), Adelbert von Chamissos Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1813) oder ähnlich gelagerten Geschichten zu finden, haben sich bislang nicht bestätigt.
Immerhin ist eine sehr alte Zeichnung bekannt: Es handelt sich um eine Lithographie innerhalb einer Bildserie, die 1830 als Beilage der französischen Wochenzeitschrift La Caricature (Chefredakteur: Honoré de Balzac) erschien - der Zeichner Jean Ignace Isidore Gérard (Pseudonym: Grandville) inszenierte in dieser politischen Karikatur mehrere Menschen als typologisierte Standesvertreter ihrer Zunft bzw. ihres jeweiligen Berufs, wobei ihr wahrer Charakter im Schatten zum Vorschein kommt: ein Zensor mit Schere in der Hand und Zeitungen unterm Arm ist demzufolge nichts anderes als ein Teufel mit Hörnern und Mistgabel. Sicherlich läßt sich zwischen dieser Zeichnung und Der Pakt mit dem Teufel keine direkte Linie ziehen, zumal beim Zensor Körperform und Schattenumriss einander noch durchaus entsprechen, doch es wird deutlich, wie alt das Motiv des verräterischen Teufelschattens an der Wand ist und wie viele Variationen es geben könnte. Allein in den Comics des 20. Jahrhunderts dürfte dieser Kniff des verfremdeten Schattenwurfs etliche Male anzutreffen sein.
La Caricature, No. 3, Planche No. 5, 1830 (Universitätsbibliothek Heidelberg)
Eine gewisse Ähnlichkeit im Arrangement ist auf dem Cover der Ende 1977 oder Anfang 1978 veröffentlichten zehnten Ausgabe des US-Horrorcomics Secrets of Haunted House durchaus gegeben - einerseits, weil der Teufel hier vor einem kreisrunden Spotlight sitzt, wenn auch ohne einen Schatten zu werfen (das wäre in diesem Falle unnötig, denn er ist als Teufel eindeutig zu erkennen). Andererseits, weil hier eine vertragliche Abmachung mit dem Teufel dargestellt wird und auf der hierzulande erhältlichen Fassung mit dem deutschsprachigen Text "Des Teufels tödlicher Pakt" aufwartet! Aber nein, das kann unmöglich die Inspiration für Der Pakt mit dem Teufel sein, denn die 139. Ausgabe der westdeutschen Comicreihe Horror ist erst Anfang 1984 erschienen.
Secrets of Haunted House, No. 10, 1977/1978 (Grand Comics Database) Horror, Nr. 139, 1984 (Grand Comics Database)
Gänzlich ohne irgendeinen Zusammenhang zu Der Pakt mit dem Teufel ist auch dieses Bild des italienischen Comic-Zeichners Marco Rota für die Reihe I Classici di Walt Disney mit Nachdrucken aus der berühmten Zeitschrift Topolino - aus beiden gingen hierzulande die Lustigen Taschenbücher hervor. Auch Micky Maus hat also schon einmal seine Silhouette inmitten eines kreisrunden, gelben Scheinwerferlichts an eine Ziegelwand geworfen - natürlich ohne Hörner, sondern mit seinen ikonischen Ohren ... Gleichwohl scheidet diese Zeichnung ebenfalls als unmittelbare Inspiration aus, denn das Lustige Taschenbuch Nr. 87 erschien im März 1983 und selbst das italienische Original Topolino mystery datiert erst von Februar 1982.
Ob El Diablo aus dem Tal der Wehklagen wohl seine Klauen im Spiel gehabt hat? Von der Trigonom-, äh, Chronologie der Veröffentlichungen her wäre es nicht unmöglich, immerhin war Die drei ??? und der Teufelsberg mit Aiga Raschs Felsendämon 1974 als Buch erschienen und als Hörspielfolge 19 bereits seit Oktober 1980 im EUROPA-Programm, als Der Pakt mit dem Teufel etwas später entworfen wurde. Im Jahr 1981 - genauer Monat unbekannt - erschien das Buch Die drei ??? und der Teufelsberg ab der 8. Auflage zudem mit einem neuen Cover von Aiga Rasch, das dem Schatten des Schörgen-Toni noch ein wenig ähnlicher sieht.
Die drei ??? und der Teufelsberg, 1974/1981 (rocky-beach.com)
Captain Satan hieß eine kurzlebige Reihe US-amerikanischer Pulp-Magazine, die es auf gerade einmal fünf Ausgaben von März bis Juli 1938 brachte. Titelheld der von einem gewissen William O'Sullivan verfaßten Thriller war ein Privatermittler namens Cary Adair, der als "Captain Satan" auf Ganovenjagd ging - er war demnach ein Guter auf der Jagd gegen das Böse. Warum und wieso er den Satan auf seiner Seite hatte, weiß der Teufel ... vermutlich wurde überhaupt nicht erklärt, wieso er sich Captain Satan nannte, gleichwohl folgte ihm auf allen fünf Cover-Illustrationen ein satanischer Schatten mit Dreizack auf rotem Grund, fast immer in zumindest angedeuteter Scheinwerfer-Optik. Allzuviel Ähnlichkeit zu Der Pakt mit dem Teufel weisen diese Zeichnungen nicht auf, doch hier zeigt sich erneut, wie verbreitet und auch variabel das Motiv des teuflischen Schattens gewesen sein muß ...
Captain Satan and His Ambassadors From Hell (thepulp.net)
Thomas Schwettmann machte mich auf dieses Filmplakat aufmerksam, da er sich sehr an Der Pakt mit dem Teufel erinnert fühlte - und das zurecht! A Blind Bargain war ein US-amerikanischer Stummfilm von 1922, in welchem ein Wissenschaftler vermeintlich lebensverlängernde Experimente an Patienten durchführt, die dabei zu teils affenähnlichen Kreaturen verunstaltet werden. Daß der Wissenschaftler mit dem Teufel im Bunde ist, wurde im Film wahrscheinlich nicht derart konkret dargestellt - nachprüfen läßt sich dies nicht, weil der Film als verschollen gilt. In dieser Kinowerbung kommt das Motiv der teuflischen Identität reichlich plakativ daher, denn es ist dreiteilig angelegt und zwängt eine Teufelsfratze zwischen Mensch und gehörntem Schatten, letzterer ist dadurch im Grunde komplett überflüssig. Interessant ist hier dennoch zweierlei: Zum einen ähnelt der Wissenschaftler durchaus dem Schergen-Toni und könnte so am Anfang der Suche nach einem vergleichbaren, passenden Motiv für das Cover von Der Pakt mit dem Teufel gestanden haben. Außerdem existiert diese Montage von Wissenschaftler, Teufel und Schatten auch in einer zweiten Fassung als Aushangtafel, in welcher der Teufel und der Schatten in einen kreisrunden Lichtkegel eingefaßt sind! Ob das Plakatmotiv von A Blind Bargain nun also die Inspiration für das Cover von Der Pakt mit dem Teufel war? Oder haben sich die Produzenten des Films das von einer früheren Quelle abgeschaut, die weitaus älter ist und die auch beim Schergen-Toni vorgelegen haben könnte?
A Blind Bargain, 1922 (filmweb.pl)
Wer weiß, vielleicht gibt es auf Schloß Moosham neben dem Sagenzimmer ja auch ein Vorlagenzimmer, wo des Rätsels Lösung an der Wand hängt ...
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© Die Gruselseiten (21. Oktober 2023)