Die Staudingertochter zu Steindorf (unweit Mauterndorf im Lungau) ward von den genannten Zauberern in der heimlichen Kunst unterrichtet. Die Staudingertochter ward als Hechse verurtheilt und verbrannt. Zauberer und Hechsen wurden vor der Hinrichtung in geweihten eisernen Körben aufgehängt, damit sie den Erdboden nicht berührten und dadurch mit dem Teufel nicht in Gemeinschaft geriethen, der sie sonst befreien könnte.
Theodor Vernaleken: Alpensagen. Volksüberlieferungen aus der Schweiz, aus Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Wien 1858, S. 125 (online: Bayerische Staatsbibliothek, München)
Die Staudingertochter als Hexe auf dem Scheiterstoße
Es mag bald ein Jahrhundert sein, als der Scherge des Vizedoms zu Moosham, so hieß man damals die Gerichtsdiener, eines Tages in das Haus des Staudinger zu Steindorf eintrat.
Die Tochter des Hauses, nach der er fahndete, war früher Sennin auf der Staudinger-Alm im Twengerthale, wo sie vom Zauberer Jackel und den Wölfen, auch schreckbaren Zauberern, öfters besucht, und in der heimlichen Kunst der Zauberei und Geisterbannerei Unterricht empfing.
Sie war schon längst anrüchig, daß sie mit Zauberern um die Mitternachtsstunde durch den Rauchfang, auf einem Kehrbesen reitend, eine Luftreise auf das Speiereck mache, um dort Hexentrank zu bereiten, und in der Mitternachtsluft mit dem, Gott sei bei uns, um das Hexenfeuer mit Tanz sich zu erlustigen.
Lange, so erzählt die Sage, trieb die Staudinger Tochter ihr Hexenunwesen, ohne daß ihr Beweise gemacht werden konnten. Doch endlich kam auch diese Zeit.
Auf die Gebrüder Wölfe wurde einmal allgemeine Jagd gemacht, es war der Vizedom von Moosham selbst an der Spitze der großen Wolfsjagd. Man wußte, daß die Wölfe [sic!] eine Salbe präpariren konnten, mit der sie sich anstrichen, und dann in Wölfe verwandelten.
Einen solchen Zeitpunkt wartete man ab, und auf die geschehene Anzeige setzte sich der Zug in Bewegung, es wurde der Berg mit Treibern im Kreise umstellt, und in immer engeren Kreisen gegen die Höhe getrieben, wo der mächtige Vizedom von Moosham mit anderen guten Schützen mit gespanntem Hahne der Gebrüder Wölfe harrte. Enger und enger wurde der Treiberkreis; immer näher der Höhe, oben die Schützen, die Wölfe sahen sich verloren, sie machten daher schnell im Geheim einen Pakt mit dem - Bösen - und vor der Höhe waren sie in zwei Baumstrunke verwandelt; Niemand ahnete, daß diese Baumklötze die Wölfe seien. Der gestrenge Herr von Moosham, der die Treibjagd noch nicht so nahe wähnte, machte sich's oben, es war am Mitterberg, bequem, legte indeß die Kugelbüchse bei Seite, und schnitt sich eine Rolle Rauchtabak, wozu ihm der verzauberte Baumklotz des Wolf, der oben wie ein Tisch geebnet war, Dienste leisten mußte. Der im Klotze steckende Wolf wollte vor Angst vergehen, denn "wenn der Gnädige," so gab er später in seinem peinlichen Verhöre an, "den Tabak mit seinem Messer schneidet, auf dessen Klinge das Zeichen des Kreuzes ist, so konnte die teuflische Verblendung nicht bestehen". Doch es ging gut ab - die Wölfe kamen davon, und krochen wieder in ihre menschlichen Leiber.
Allein der teuflische Sieg sollte nicht lange dauern. Der Scherge von Moosham ging bald darauf an der Straße, und sah einen Knaben am Saume der Straße sitzen, der aus einem Stäbchen Spähne schnitt, deren jeder sich in ein artiges Mäuslein verwandelte. Aus jeder Schaite sprang, so erzählen die Leute im Volke, eine Maus hervor.
Als der Knabe den Schergen des Weges daher schreiten sah, sprang er auf, und wollte entfliehen; allein der eifrige Diener der hochpreislichen Justiz schrie ihn scharf an, und der Knabe, vom Schrecken gebannt, stand stille, und erwiederte in der Angst: "ich kann nichts, aber die und die (er nannte alle die Zauberer) können viel, sie sind meine Lehrmeister; auf das weitere Befragen gab der Knabe den Aufenthalt der Zauberer an, darunter den berüchtigten Mäusemacher, den Zauberer Jackl, die Gebrüder Wölfe, und unter noch vielen anderen auch die Staudinger Tochter, die hier in dem Hause, wo wir jetzt sind, ihre Heimath hatte. Der Knabe erzählte auch von der Salbe, welche die Zauberer zuzubereiten verstünden, welche sie, damit angestrichen, in Wölfe auf 24 Stunden verwandeln könne, auch ihn hätten die Wölfe einst mit einer Hexensalbe bestrichen, wodurch er in einen Wolf umgewandelt wurde; als solcher habe er einmal Jagd auf Pferdefüllen gemacht, wovon ihm eines mit dem Hinterfuße das Kinn entzwei geschlagen habe, daher rühre die an ihm sichtbare Hasenscharte.
Die hohe Justiz von Moosham von demselben Hexenfieber angesteckt, an dem der menschliche Verstand damals allgemein krank lag, nahm die Anzeige ihres Schergen wie die Haftnahme des mit der Hasenscharte, dem bei allen Hexenprozessen so unentbehrlichen Teufelsmale zur wohlweislichen Malefiz-Notiz, und beschloß auf solchen Indicien die Verhaftung der armen Schelme.
Sie kamen alle ein in den Hexenthurm zu Moosham, wo man noch die Ringe an den Gewölben sehen kann, an denen die kupfernen geweihten Kessel hingen; in welchen die bösen Zauberer die schreckliche Haft bestehen mußten. Denn - ein Zauberer durfte den Erdboden nicht mehr berühren, um mit dem Teufel keine Gemeinschaft zu haben, denn der - würde ihn frei machen. So aber hing der Arme im geweihten Kessel, zwar nicht zwischen Himmel und Erde - aber doch - zwischen Gewölbdecke und Fußboden des scheußlichen unterirdischen Kerkers, dessen Finsterniß mit der Hölle liebäugelte.
Alle Zauberer waren bereits auf Moosham eingebracht, noch fehlte eine - es war die Staudinger Tochter von Steindorf. Ihren Taufnamen hat das Jahrhundert, das über diese gräusliche Geschichte ging, im Gedächtnisse der Menschen vermischt.
Auf Moosham wurde der Verhaftsbefehl ausgefertiget - der Scherge trat im Staudingerhofe ein - und frug nach der Tochter.
Sie war eben bei ihrer Mutter in der Küche, die ein Eierkoch zubereitete.
Der Scherge frägt sie - ob sie eine Zauberin sei - es erfolgt keine Antwort, da fordert die Mutter die Tochter auf, zu sagen, was er frage, und ob sie sich auf Zauberei verstehe - worauf die Arme erwiderte: "Sieh Mutter, ich bin im Stande, während du das Eierkoch rührest, durch die Lüfte auf einem gesalbten Besen nach Salzburg zu fahren - und - ehe das Mueß fertig ist, wieder hier bei Dir zu sein." -
Es war kein Zweifel - sie war eine Zauberin, und sie wanderte mit dem Schergen in den Hexenthurm nach Moosham.
Ein halbes Jahr nach qualvoller Haft wurde sie verurtheilt als Hexe und wegen Zauberei oben am Passeggen hinter dem Hochgerichte zu Staub und Asche verbrannt zu werden; die Asche ihres zusammengebrannten Leibes aber, so schloß das Urtheil, solle unter dem Hochgerichte eingegraben werden.
Auch die alte Staudingerin, die Mutter der zum Feuertode Verurtheilten erfuhr einige Tage vorher das ihrer Tochter bevorstehende schreckliche Schicksal.
Am Morgen des verhängnißvollen Tages der Hinrichtung wollte die Mutter zum wunderthätigen Gnadenbilde in das nahe Mariapfarr, wohin ohnehin Steindorf eingepfarrt ist, pilgern, um von der gnadenreichen Gottesmutter eine glückliche Sterbestunde für ihre unglückliche Tochter, welche freilich auch nach ihrer Meinung den Tod als Zauberin verdiene, inbrünstig zu erflehen.
Indeß die Mutter am frühen Morgen dieses Tages zu Steindorf dieß beschloß, setzte sich jenseits längs des Mitterberges auf der Straße von
Moosham an den Passeggen der Arme-Sünderzug in Bewegung. Viel Volkes war zusammengelaufen - und begleitete die Zauberin zur Richtstätte.
In der Mitte des Zuges auf einem Schinderkarren ragte über den selben heraus die arme Sünderin - die lange qualvolle Haft und die Todesangst breiteten Blässe über ihr junges Gesicht — denn sie war erst etliche zwanzig Jahre alt, und ein schönes Mädchen - neben ihr saß auf dem Karren im eifrigen Gespräche ein Kapuziner von den ehrwürdigen Vätern zu Tamsweg; sein grauer Bart floß weit über die Brust herab, und er schien viel Mühe zu haben, die arme schöne Zauberin durch christlichen Zuspruch zu trösten und zu stärken.
Daneben saß der Freimann, seine Spitzwürfel; der Abdecker und andere Anrüchige der Exofficio-Begleitung umgaben zunächst den Karren.
So kam der düstere Todtenzug gegen 7 Uhr Morgens oben am Passeggen an, wo hinten am Zigeuner-Graben schon ein großer Holzstoß bereitet stand.
Vom hochgelegenen Hochgerichte am Passeggen würde man gerade gen Mariapfarr und Steindorf herüber sehen können – wenn nicht ein großer Fichten- und Lerchenwald die Aussicht dahin hinderte. Viel neugieriges Volk, die pia simplicitas auf dem Gesichte, umstand den Hexenhügel, und erwartete sehnsuchtsvoll die arme Sünderin, die bereits die Höhe des Passeggen gegen das Hochgericht herauf fuhr, neben ihr der ehrwürdige Pater vom Orden Francisci, der viele Mühe hatte, die bleiche Ketzerin bei dem schauerlichen Anblicke des Hochgerichtes, wo Rad, Galgen und Menschenköpfe auf spitzigen Stangen ihr das schreckliche Memento ihres nahen schauderhaften Todes entgegen grinsten, mit jenen Worten des göttlichen größten Menschenfreundes zu trösten, welcher, wenn Er, der Sohn Gottes, auch noch körperlich unter uns wandeln würde, sicher das Pack von Verrückten, welche die arme Sünderin zum Tode verurtheilten, wie einst die Käufer und Verkäufer im Tempel, davongejagt hätte.
Der Großvater des Karlbauer zu Lintsching und jener des Gemeinde-Vorstandes Rechenbauer in Zangwarn, haben diese Geschichte, von der sie als Knaben Augenzeugen waren, oft erzählt. Es war Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts; sie sahen deutlich, wie man die arme Sünderin, die schon mehr todt als lebendig war, zum Scheiterstosse schleppte, an einen Pfahl dort festband - und - doch der Genius der Menschlichkeit wendet das Antlitz - denn, wie Schiller sagt: "das Schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn!"
Wir kehren zur Mutter der armen Staudingertochter zurück. Wir haben sie, während sie drüben die Tochter zum Feuertode führten, hüben am Kirchwege verlassen. Sie ging eben an den drei Kreuzen herüber, um längs der Hauptstraße zur Pfarrkirche zu gelangen. Da sah sie plötzlich über den Wald vom Passeggen herüber einen dichten Rauch aufqualmen - es war das böse Zeichen, daß der Scheiterstoß, auf dem die Tochter lebendig verbrannt werden sollte, angezündet sei; die Mutter sah's - und - sank ohnmächtig zusammen.
Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen dargestellt von Ignaz von Kürsinger [...]. Mit artistischen Beigaben. Salzburg 1853, S. 169-174
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© Die Gruselseiten (27. Mai 2001)