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Zu Gast im Geisterhof Zu Gast im Geisterhof
 

 • Die Ankunft
 • Es ist Nacht
 • Auf zum Schloss
 • Es spukt

Autor dieser Szene: Karsten Sommer
 

Es spukt

Abendstimmung in einer alpinen Ferienregion. Vogelgezwitscher. Dumpfes Stimmengewirr aus einer Gaststube.

Tom: (brummt) Besonders ergiebig war dieser Besuch im Schloss ja nicht.
Eireen: Warum? Ich fand die Geschichten um Schloss Moosham und dem Schergen-Toni sehr interessant. Ob es diesen Toni tatsächlich gegeben hat?
Tom: Ach, Quatsch. Das sind doch Sagen und Märchen, die der Phantasie einiger verwirrter Dorfbewohner entsprungen sind. Du glaubst doch nicht im Ernst an so was.
Eireen: Warum nicht? An jeder Sage ist ein bisschen Wahrheit dran, das weißt du genausogut wie ich. Nimm doch einfach mal die Sage von diesem Sigismund und seiner Maria. Ist das nicht wirklich romantisch? Wie er sich, seine Geliebte an die Brust gepresst, auf seinem stolzen Rappen in die Schlucht stürzt. Eine Liebe über den Tod hinaus.
Tom: Eireen, Schatz. Lass dich doch nicht für dumm verkaufen. Wer hupft denn schon mit seinem Gaul eine Schlucht hinab, und auch noch mit seiner ungesetzlich Angetrauten auf dem Arm? Da nehme ich lieber noch einen kräftigen Schluck von diesem, wie heißt das noch, "Weizenbier" und genieße den Sonnenuntergang. Das ist für mich romantisch genug.
Eireen: Übertreib' es aber bloß nicht, mein Lieber. Du weißt, in welchen Abgrund das führen kann, wenn du nicht aufpasst.
Tom: Ja, ja, ich weiß. Ich ...

Das Glas kippt um.

Eireen: Tom, du altes Ferkel. Jetzt hast du das ganze Glas Bier verschüttet!
Tom: Glas ist gut, das war ja wohl eher ein Trog. Aber ich habe das Glas gar nicht angefasst.
Eireen: Dann bist du eben gegen den Tisch gestoßen. Ach, steh' doch auf, das läuft doch alles durch die Ritzen und auf unsere Hosen.
Tom: Wart doch mal, Eireen. Ich bin nicht gegen den Tisch gestoßen oder habe sonst irgendetwas gemacht. Jemand anders muss das Glas umgekippt haben.
Eireen: Und wer, bitte schön? Es war ja keiner außer uns beiden hier draußen. Oder glaubst du etwa, dass es hier spukt? Ach, ich hol' jetzt einen Lappen.

Eine Tür wird geöffnet. Stimmen werden lauter. Tür schließt sich. Stimmen werden leiser.

Tom: So was Dummes. Jetzt steh' ich wieder mal wie ein Idiot da. Das hab' ich nun davon, dass ich unbedingt mit dieser Frau zusammensein will. Ich habe aber nichts berührt, ich bin mir vollkommen sicher. Vielleicht ist der Tisch nicht standfest. Nein, der wackelt auch kein bisschen. Das ist ja wirklich ...

Eine Frau schluchzt.

Tom: Häh, hallo? Da weint doch jemand? Hallo? Ist da jemand? Da, an der alten Pferdetränke. Da geht doch jemand? Heh, Sie! Hallo! Warten Sie! Geht es Ihnen nicht gut? Bleiben Sie doch stehen!

Eilige Schritte auf Kies.

Tom: So warten Sie doch! Zum Donnerwetter! Dass die Frauen auch nie auf einen hören wollen. Brauchen Sie Hilfe? - Sie geht zu der alten Scheune.

Wieder eilige Schritte auf Kies.

Tom: (prustet) Ich bin zu alt für so was. Hier ist sie hingelaufen, aber wo ist sie ... AAAaaaaahhhhh!

Dramatische Musik. Rutschender Kies. Stille.

Eireen: (entfernt) Toom! Tooom, wo bist du?
Tom: (stöhnt) Aaaah, aua. Wo bin ich? Ich ... au ... mein Hintern. Wo bin ich denn hier gelandet? Es ist ja stockfinster hier und ... (hustet) ... verdammt staubig. Uäh, und dieser Geruch. Ist das Schweinemist?
Eireen: (kommt näher) Toom? Wo, zum Teufel, steckst du?
Tom: Hier unten bin ich, Eireen! Hier unten bei der Scheune!
Eireen: (kommt näher) Wo ist denn unten bei der Scheune? Tom, spiel' mit mir kein Verstecken. Dazu bin ich nicht aufgelegt.
Tom: Was heißt hier Verstecken? Hier unten bin ich, au, und sitze auf meinem anschwillenden Steißbein. Mach doch mal deine Augen auf.
Eireen: Tom Fawley, reiß dich am Riemen. Ja, was treibst du denn da unten?
Tom: Was ich hier treibe? So eine blöde Frage. Ich bin hier reingefallen und hab' mir meinen Hintern gestaucht. Das zieht vielleicht. Hol' mich hier raus!
Eireen: Wie bist du denn da hineingeraten? Tom, du hast doch hier nicht etwa irgendwo hingepinkelt?!
Tom: Ja, zum Kuckuck. Hol' mich hier raus.
Eireen: Ja, jaaa. Mein Gott, du hast aber auch immer eine Laune, wenn du was getrunken hast. Warte, ich hol' den Wirt und ein Seil.
Tom: Warte, sagt sie. Warte. Als ob ich irgendwo anders hingehen könnte. (lacht) Au, nicht lachen. mein Steißbein!

Musik

In der Schankstube. Ein nasser Lappen wird ausgewrungen.

Wirt: Da haben sie aber verdammtes Glück gehabt, guter Mann. Wären sie nur etwas zu weit nach rechts gelaufen, wäre das Ihr Ende gewesen.
Tom: Ja? Wieso?
Wirt: Dann wären Sie nämlich in die Jauchegrube mit dem ganzen Schweinemist gefallen. Das hätte aber übel ausgesehen.
Eireen: (prustet und lacht) Hahahaaaa, das hätte sogar beschissen für dich ausgesehen. (kriegt einen Lachkrampf)
Tom: Ha, ha, sehr lustig.
Wirt: Natürlich ist das gar nicht lustig. Aus dieser Grube wären Sie nämlich nicht mehr lebend herausgekommen, sondern elendig erstickt.
Eireen: Entschuldigung. (kichert leise) Was wolltest du überhaupt bei der Scheune? Das umgekippte Glas war ja nun wirklich nicht so schlimm. Und das mit dem Abgrund hatte ich auch nicht wörtlich gemeint.
Tom: Ach, Eireen, glaubst du im Ernst, dass mich so ein blödes Glas Bier in den Selbstmord treiben könnte? Ich wusste doch gar nichts von der Grube. Au, mein Hintern. Lass mich mal aufstehen. Ich kann nicht mehr sitzen.
Eireen: Du verstehst auch gar keinen Spaß mehr.
Tom: Bei solchen Sachen hört der Spaß eben auf. Wie kommt es eigentlich, dass diese Stelle nicht abgesichert ist? Da könnte ja weiß Gott was passieren.
Wirt: Normalerweise schleicht ja auch keiner im Dunkeln um die Häuser rum. Da kann man sich ja sonst was brechen. Wir sind hier nicht in der Großstadt, junger Mann, hier gibt es nicht alle zwei Meter eine Straßenlaterne.
Eireen: Und zum Pinkeln hättest du ja auch eben in die Gaststube gehen können.
Tom: Ja, Himmel noch mal, Eireen, was hast du denn heute mit der Pinkelei! Ich war nicht zum Pinkeln da. Ich bin einer Frau nachgegangen, die da verschwunden ist.
Eireen: Sehen Sie, Herr Wirt, kaum lass ich ihn mal fünf Minuten allein, schon hängt dieser Kerl an dem Rockzipfel irgendeiner Dorfpromenanze.
Tom: Sagen sie, Herr Wirt, haben Sie nicht auch einen kühlen Lappen für meine Verlobte? Ich glaube, sie hat sich heute während der Fahrt einen Sonnenstich geholt. Ich rede nicht von irgendeinem Mädchen im Dirndl. Eine Frau. Sie hatte geweint. Vielleicht hatte sie Hilfe nötig. Das war der Grund.
Eireen: Ha, ja, ja, siehst du? Was habe ich dir gesagt? Ich wusste doch, dass ich recht habe. Aber nein, nein, die liebe Eireen hat sich das ja nur eingebildet. Sie ist ja ein bisschen verwirrt im Kopf. Hört und sieht Dinge, die nicht da sind. Oder ... warte mal! Du willst mich doch nicht wieder auf dem Arm nehmen, oder?
Tom: Eireen?!
Eireen: Ja, Tom?
Tom: Halt mal den Schnabel. Ich habe tatsächlich eine Frau gesehen. Naja, zumindest habe ich das aus ihren Umrissen geschlossen. Die Sonne stand ja recht tief und da kann man nur einen Schatten sehen. Und sie schluchzte. Ja, ich meine sogar, sie hat geweint.
Wirt: Na, das wird ja wohl eine Wanderin gewesen sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.
Tom: Ja, aber warum hat sie geweint? Und vor allem, warum geht sie hinter die Scheune und verschwindet dort spurlos?
Eireen: Vielleicht ist sie in die Jauchegrube gefallen?
Tom: Dann hätte sie doch bestimmt um Hilfe geschrien. Und Selbstmord kannst du gleich ausschließen. So irre ist keiner, dass er oder sie sich in eine Jauchegrube stürzt. Nein, nein, diese Frau hatte meiner Meinung nach ganz alte Kleider an. Kleider, wie sie hier früher getragen wurden.
Eireen: Aber das kannst du ihr doch nicht zum Vorwurf machen.
Tom: Was? Ach, Eireen, lass das doch mal sein jetzt.
Wirt: (brummt) Hmm, ich glaube, das Zwielicht hat Ihnen einen Streich gespielt. Da sieht alles gleich aus. Machen Sie sich mal keine Gedanken. Da wird schon nichts sein. Es ist spät. Ich muss jetzt die Gaststube schließen. Gute Nacht.
Tom: Ja, aber ...
Eireen: Mir scheint, die Unterhaltung ist hiermit beendet.

Musik

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Fortsetzung:

 Das Zimmer 9

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© Die Gruselseiten (08. Juli 2004)