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Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten (2) Wirt
 
Sprecher Benno Sterzenbach
Markante Textbeiträge "Ich kann mir das nicht erklären. Es ist unbegreiflich."
"Dieses Land ist verflucht. Es ist das Land des Grafen Dracula. Gehen Sie, bevor es zu spät ist ..."
"Der Tote hat vor dem Fenster gelegen. Als die ersten Sonnenstrahlen ihn trafen, zerfiel er zu Staub - so wie es seit eh und je mit allen Vampiren geschieht."
Zur Person Mürrischer Hausherr eines Gasthofes irgendwo in Transsylvanien. Ausgerechnet an dem Abend, an dem sich Eireen Fox und Tom Fawley bei ihm einquartiert haben, stürzt der Höllenbote Hemator von einem baufälligen Balkon des Gasthofes in den Tod - und das, obwohl der Wirt die Tür zum Balkon eigenhändig zugenagelt hatte. Dieser seltsame Todessturz kann den Wirt aber ebensowenig verblüffen wie die Tatsache, daß der Tote am nächsten Morgen zu Staub zerfallen ist - so ist das nun mal mit diesen Vampiren. Seine schlechte Laune ist durchaus verständlich: Wer möchte schon Gastronom in einer Gegend sein, in der Vampire aus verschlossenen Zimmern stürzen und - quasi vor den Augen der wenigen Gäste - im eigenen Vorhof enthauptet werden? Und wer möchte in der etwas entlegeneren Nachbarschaft ein Schloß stehen haben, von dem niemand mehr lebend zurückgekommen ist, seitdem dort ...? Nein, in so einen Landstrich verirren sich keine Touristen - ein paar Freaks und Sensationsreporter, die den Leumund noch weiter in die Tiefe reißen, einmal ausgenommen. Und wieviele Einheimische kommen wohl in so einer Atmosphäre abends in die Wirtsstube, um noch gemütlich einen zu heben?
Da stellt sich eigentlich nur die Frage: Wenn das Leben in Transsylvanien so schwer ist, warum bleibt der Wirt dann? Alkohol könnte er doch in aller Welt ausschenken. Weshalb geht er nicht fort, wenn alles verflucht ist? Gefällt es ihm vielleicht doch? Fakt ist: Im Gegensatz zu seinem Düsternbrunner Kollegen zittert er angesichts merkwürdiger und übernatürlicher Ereignisse nicht vor Angst; und wenn er nicht gerade mürrisch und wortkarg ist - hören wir dann in seiner Stimme nicht einen Unterton, der von einem morbiden Humor zeugt? Wenn er Tom und Eireen versichert, den Tisch "selbst gewischt" zu haben, wenn er erklärt, die Geschehnisse seien "unbegreiflich" - schwingt da nicht auch ein versteckter Triumph mit über das rationale Denken der englischen Gäste, das in Transsylvanien an seine Grenzen stößt? Ja: Der Wirt hat hörbar Spaß an seiner Situation. Man könnte sich durchaus vorstellen, daß er sich einmal im Monat mit dem alten Wagner zum Kartenspielen träfe, wenn das geographisch hinkäme.
Doch gehen wir noch einen Schritt weiter: Könnte es nicht sogar sein, daß der Wirt mit Dr. Finistra unter einer Decke steckt? Spielt man das einmal durch, ergibt der Anfang dieses Fawley\Fox-Abenteuers plötzlich beinahe einen Sinn. Das Szenario geht so: Aus nicht näher ekannten Gründen (manches muß wohl für immer im Dunkeln bleiben) ist Hemator auf seinem Weg nach Schloß Mordabrunn in dem Gasthof abgestiegen. Der fiese Wirt (vielleicht in blinder Liebe zu Dr. Finistra, denn "In diesem verfluchten Land ist alles möglich!") lockt den gutgläubigen Höllenboten auf den baufälligen Balkon und stößt ihn in die Tiefe, wo Dr. Finistra schon mit dem Skalpell wartet, um die nötigen Schnitte, äh, Schritte einzuleiten. Während alle Gäste zunächst starr vor Schreck Finistras Lachen lauschen und dann hinunter in den Vorhof eilen, verrammelt der Wirt rasch die Tür, um unmittelbar darauf im Hof zu erscheinen und seinen Gästen den erstaunlich abgeklärten Unwissenden vorzuspielen (es ist dunkel, also kann niemand genau sagen, wer nun vor wem bei dem Toten war). Am nächsten Morgen dann versucht der Bösewicht, Tom und Eireen in ihr Verderben zu schicken. Denn wie bringt man kleine Kinder und neugierige Reporter dazu, das Land nicht zu verlassen? Man gibt ihnen den gutgemeinten Rat, sofort zu verschwinden. Und wie lockt man sie in ein Schloß voller Verrückter, Vampire und künstlicher Menschen? Natürlich indem man sie eindringlich vor dem Schloß warnt und bewußt schwammige, geheimnisvolle Andeutungen macht. Das sind die ungeschriebenen Gesetze des Genres, und unser sauberer Wirt weiß genau, welche Knöpfe er zu drücken hat.
Doch ob der Wirt nun ein undurchsichtiger, aber ganz patenter Kerl ist oder nur ein falscher Fuffziger: So oder so hat er seine Rechnung ohne Tom und Eireen gemacht, die auf Mordabrunn ein letztes Mal (und leider kein bißchen weiser) mit dem Schrecken davonkommen ... (dl)
 
 
 

 

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© Die Gruselseiten (22. Februar 2002)