Schriftzug

Alle S-Einträge
 
Der Pakt mit dem Teufel (11) Schnee
 
Zur Person Auf Schloß Moosham im Lungau geben sich innerhalb weniger Stunden so viele Bösewichter die Klinke in die Hand, daß man schnell die Übersicht verliert - und somit womöglich ein für den sinistren Plot des Schergen-Toni unabdingbares Übel gar nicht als solches wahrnimmt. Denn während sich alle Kreaturen der Hölle, die den lokalen Sagen entsprangen (der Schergen-Toni, die in Wölfe verwandelten Wilderer, Siegmund von Moosheim, die feindlichen Brüder), klar und deutlich zu Wort bzw. Gejaule melden und die vier auf Moosham eingeschlossenen Menschen wissen lassen, wer ihnen da ans Leder will, ist ein Bösewicht laut- und farblos: der Schnee.
Der Erzähler deutet es bereits an: der Schnee ist das erste, was in diesem Hörspiel "bekämpft" wird. Erst berauben die hohen, sturmartigen Schneeverwehungen und das Glatteis Paul Wille die Sicht ("Der Schnee fällt so dicht, daß man kaum etwas sehen kann"), dann allen Insassen des Busses die Mobilität: der Busfahrer muß vor den Schneemassen kapitulieren und fröstelnd mitansehen, wie vier seiner Schützlinge, Paul und Elke Wille, sowie Kurt und Angela Krohn, von einem dahergerodelten, baßstimmigen Schlittenfahrer willentlich entführt werden, da angeblich diverse wichtige Zufahrtsstraßen und Passagen von meterhohen Schneemassen abgeschnitten wurden: Zwar drängen die vier anfangs auf rasche Weiterreise und scheinen wirklich unter Zeitdruck zu stehen, doch kaum stellt ihnen Schergen-Baritoni in Aussicht, sie nach Schloß Moosham zu bringen, weil es dort "warm und sicher" sei, nehmen sie dieses Angebot an, auch wenn es sie im Prinzip ihrem eigentlichen Ziel St. Michael nicht näherbringt. Auf Moosham ist es sicher? Wovor? Welche Gefahren dräuen denn überhaupt in der ersten Szene? Daß der Busfahrer nicht nur die Nerven, sondern auch den Zündschlüssel des Busses verliert? Daß die anderen Mitreisenden Hunger bekommen und in ihrer Isolation meinen, sie müßten übereinander herfallen? Daß Schergen-Toni weiterfährt, die Insassen des Busses in frustrierte Endlos-Dialoge verfallen und uns die langweiligste Folge der Gruselserie bescheren, weil nix passiert? Nein: Die einzige, im Intro erkennbare, realistische Gefahr ist der Schnee - und die vier Reisenden merken's nicht!
Während der vermeintlich hilfs-, in Wahrheit jedoch zu allem bereite Möchtegernschloßherr dafür sorgt, daß sich die vier Nichtsahnenden mit Jagertee abfüllen und er derweil auf dem Getreidespeicher der Burganlage seinen Pakt mit dem Teufel bequakt, fällt die weiße Pracht erbarmungslos hernieder - und erst am Ende der ersten Kassettenhälfte fallen den vieren sämtliche Flocken aus den Augen: der Schlitten ist futsch, "und der Schnee liegt so hoch, daß wir nicht mehr durchkommen. Es wäre sinnlos, das zu versuchen." Wenigstens das hat Paul begriffen - kein Kunststück, türmen sich doch wahre Schneeberge vor dem Schloßtor auf. Dabei hatten es die beiden, kaum daß sie die teeselige Gemütlichkeit in der Jagdstube beendeten und beide Frauen verließen, bereits geahnt: "Wenn das so weitergeht, dann werden wir hier eingeschlossen." Gesagt und nichts getan! Auch angesichts der beiden am Schloßbrunnen mit Säbeln aufeinander einschlagenden Männer hätten sie merken müssen, daß sich der Schnee Schergen-Toni verschrieben hat, liegt er doch - als Paul und sein respektloser Angestellter endlich im Erdgeschloß angelangt sind, die Tür zum Innenhof aufreißen und von den beiden Duellanten jede Spur fehlt - auf einmal viel höher als gerade eben, während des Kampfes. Warum der Schnee viel höher liegt, und was das zu bedeuten hat, keiner weiß es - aber daß die weiße Pracht keine weiße Weste hat, hätte den durch das Schloß Geisternden spätestens jetzt in den Sinn kommen müssen.
Zurück zum Beginn der zweiten Hörspielhälfte: Selbst am nächsten Schritt Richtung Höllenpforte ist der Schnee beteiligt, denn Elke Wille friert und entfernt sich von den anderen, um - wie der Erzähler es ausdrücklich betont - "dem schneidenden kalten Wind zu entgehen, der durch das Tor pfiff." So läuft sie Siegmund, dem wahnsinnigen Single von Moosham in die Arme. Erst Schneemassen, dann wortmalerisch schnei-dender Wind: mit wieviel Kühlschränken muß Väterchen Frost eigentlich noch winken, damit die vier Tölpel begreifen, daß der Schnee ihren ärgsten Feinden wohlgesonnen ist, da er sogar - "Der Schnee hat ihn aufgefangen." - den Sturz des Siegmund von Moosheim abfedert?
Bei soviel Ignoranz vor der eigentlichen Gefahr fragt man sich doch, ob die vier es am Schluß verdient haben, daß der Busfahrer ihnen die Arbeit abnimmt und die weißen Monstermassen mit einem Schneepflug beiseite räumt: Paul und Kurt hätten es verdient, vom Schloßherrn wegen Hausfriedensbruchs und groben Unfugs zur nützlichsten aller Wintersportarten verdonnert zu werden: zum Schneeschippen. (sh)
 
 
 

 

Eine Mail an mich?

Du willst einen Beitrag für den Almanach verfassen?


 

© Die Gruselseiten (28. März 2002)