Schriftzug

Alle F-Einträge
 
Frankensteins Sohn im Monster-Labor (1)

Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten (2)

Frankenstein, Dr.
... die Verfilmungen
 
Zu den Verfilmungen Was ich über die Dracula-Filme gesagt habe, gilt für die Frankenstein-Filme erst recht: Wieviele es gibt, kann wohl niemand genau sagen, zumal den Chronisten auch hier zahllose Mogelpackungen zu schaffen machen, also Filme, die zumindest im deutschen Titel den Namen Frankenstein führen, ohne daß ihr Inhalt das irgendwie rechtfertigt. Gerade japanischen Monsterfilmen der billigsten Art ist oft ein nicht vorhandener Bezug zu Frankenstein unterstellt worden. Als Beispiele nenne ich hier "Frankenstein - Der Schrecken mit dem Affengesicht" (1965) und "King Kong - Frankensteins Sohn" (1967), beide von Inishiro Honda. Ersterer zitiert zwar beiläufig den Frankenstein-Mythos, ist aber kein Frankenstein-Film. Damit soll das Problem kurz aufgezeigt sein: Es gibt über 100 "echte" und "vermeintliche" Frankenstein-Filme, und sie alle gesehen zu haben, ist weder möglich noch erstrebenswert, da es sich meistens um Schrott handelt. Bei dieser Darstellung werde ich mich auf die wichtigsten Adaptionen beschränken. Bezüge zu der Gruselserie sind dabei längst nicht so zahlreich wie bei den Dracula-Filmen, da H.G. Francis den Frankenstein-Stoff sehr nachlässig und eher als Mittel zum Zweck behandelt hat. Dafür gibt es erstaunliche Parallelen zwischen der Entwicklung der Frankenstein- und der Dracula-Filme.

Auch mit Frankenstein ging es schon in Stummfilmzeiten los, aber ein großer Wurf war nicht unter den Adaptionen: Die amerikanische Produktion "Frankenstein" (1910) von J. Searle Dawley hat - wie fast alle nachfolgenden Filme - nur hinsichtlich des groben Plots "Wissenschaftler erschafft künstliches Wesen" und einiger Motive mit Mary Shelleys Roman zu tun. Das Monster wurde von Charles Ogle gespielt, der für seine ausgefallene Maske (wirres Haar, zerfurchtes Gesicht, durch Seile zusammengehaltene Gliedmaßen) selbst verantwortlich war. In Frankensteins (Augustus Phillips) Hochzeitsnacht stürmt das Monster ins Schlafzimmer des jungen Paares, überwältigt Frankenstein, löst sich dann aber in Luft auf. Der etwa 15minütige Film (damals eine gewöhnliche Länge) wurde von der Kritik zerfetzt, als geschmacklos und gotteslästerlich beschimpft. Um diesen Vorwürfen zu entgehen, verlegte Joseph W. Smileys "Life without Soul" (1915) die Handlung auf die Ebene eines Traums. Von dem Film existieren keine Kopien mehr. Auch von der italienischen Version "Il Mostro di Frankenstein" (1920) weiß man heute nicht viel mehr, als daß es sie einmal gegeben hat.

Der Durchbruch zu einem der beiden Horrormythen schlechthin gelang Frankenstein erst in den Kindertagen des Tonfilms. Nach dem großen Erfolg von Tod Brownings "Dracula" (1931) suchte die Universal händeringend nach einem Nachfolgeprojekt für Bela Lugosi und stieß dabei schnell auf den Frankenstein-Stoff, der damals vor allem in der Bühnenfassung von Peggy Webling kursierte. Es wurden schon Plakate gedruckt, die Bela Lugosis neuen Schocker ankündigten, doch dann lehnte der Ungar die Rolle des Monsters ab, da er unter der schweren Maske keine darstellerischen Entfaltungsmöglichkeiten sah und ihm mißfiel, daß er keinen Text hatte. Dies sollte die Fehlentscheidung seines Lebens werden, denn nun kam der bis dahin völlig unbekannte Boris Karloff zum Zuge, der Lugosi rasch als Horrorstar Nr. 1 ablöste. Unter der Regie von James Whale entstand der vom deutschen Expressionismus geprägte klassische Horrorfilm "Frankenstein" (1931), der die Pop-Kultur bis heute beeinflußt. Das fängt schon bei der von Jack Pierce kreierten Maske des Monsters an, die ja auch auf den entsprechenden Europa-Titelbildern zu sehen ist. Henry Frankenstein (welch eine Inkonsequenz in der deutschen Synchronfassung: Im ersten Film heißt Frankenstein mit Vornamen Herbert (!), im zweiten wie im Original Henry, im dritten dann korrekt eingedeutscht Heinrich. Im Roman lautet der Vorname übrigens Victor) belebt mit Hilfe seines verkrüppelten Faktotums Fritz und im eher zufälligen Beisein seiner Verlobten Elisabeth, seines Freundes Viktor Moritz (im Roman: Henry Clerval) und seines alten Lehrers Dr. Waldmann ein aus Leichenteilen zusammengesetztes Wesen. Dieses ist ein häßlicher, stummer Riese. Fritz macht sich einen perversen Spaß daraus, das Monster zu quälen, bis es ihn zu fassen kriegt und tötet. Als Dr. Waldmann das Monster daraufhin mit Frankensteins Einverständnis umbringen will, tötet es statt dessen den alten Herrn und auf seiner Flucht ungewollt ein spielendes Kind. Schließlich taucht es auf Frankensteins Hochzeit mit Elisabeth auf, die ihm fast zum Opfer fällt. Der wütende Mob, angeführt von Frankenstein, jagt nun das Monster. Dieses bekommt aber Frankenstein alleine zu fassen und verschleppt ihn in eine alte Mühle. Dort kommt es zum Showdown. Frankenstein stürzt am Ende von der Mühle, und der Mob setzt diese mit dem Monster in Brand.
Mit dem Roman und dessen ambitionierter, verschachtelter Erzählstruktur hat das nicht mehr viel zu tun, aber der Film ist weit davon entfernt, ein purer Reißer zu sein. Frankenstein ist nicht der schlichte mad scientist, sondern ein vom Forschungsdrang getriebener Romantiker, den Colin Clive (einer von Hollywoods ersten Alkoholikern) überzeugend darstellt. An die Wand gespielt wird die durchgehend gute Besetzung aber von Karloff, dem es gelingt, hinter der Maske ein fühlendes Wesen erkennbar werden zu lassen, wie es nach ihm für Jahrzehnte nicht mehr der Fall sein sollte. Das Monster sucht Zuneigung, es tötet nicht aus Mordlust, sondern im Affekt (Fritz), aus Notwehr (Waldmann) oder aus unbedarfter Fahrlässigkeit (das spielende Kind); eine Interpretation, die das starre Gut\Böse-Schema des damaligen Films hinter sich läßt und die vor allem vom Regisseur Whale ausging. Und noch zwei weitere, für den Frankenstein-Mythos wichtige Punkte tauchen in diesem Film erstmals auf:
1. Das Hauptgewicht der Handlung ruht - anders als in Mary Shelleys Roman - nicht auf dem Wissenschaftler, sondern auf seinem Geschöpf; wohl die Ursache dafür, daß die meisten Menschen mit dem Namen "Frankenstein" nicht den Forscher, sondern das Monster assoziieren.
2. Höhepunkt des Films ist die Schöpfungsszene, und die aufwendig inszenierte Erweckung des Monsters ist auch der Höhepunkt fast jedes folgenden Frankenstein-Films (und auch von "Frankensteins Sohn im Monster-Labor"). Im Roman hingegen umfaßt die Schöpfungsszene nur ein, zwei vage Sätze, wird also bewußt beiläufig abgehandelt.

Der Film wurde ein großer Erfolg, und die Studiobosse wollten unbedingt eine Fortsetzung. Die kam 1935 mit "Frankensteins Braut", und dieser wundervolle Film, wieder unter der Regie von James Whale, ist noch viel besser als das Original, was für kommerzielle Fortsetzungen von Kassenschlagern ja nicht eben typisch ist. Tatsächlich gilt "Frankensteins Braut" als einer der besten amerikanischen Filme der 1930er Jahre. Das Monster und auch Frankenstein (wiederum Karloff und Clive) haben natürlich ihren Kampf in der Mühle überlebt, und während das Monster (gelegentlich "aus Versehen" tötend) durch die Lande zieht und ungewollt Angst und Schrecken verbreitet, bekommt Frankenstein Besuch von seinem alten Lehrer Dr. Pretorius (großartig: Ernest Thesiger). Pretorius hat sich auch schon an der Schaffung künstlicher Menschen versucht, ist bisher aber nicht weit gekommen und möchte sich deshalb mit Frankenstein zusammentun. Dieser vergißt schnell alle guten Vorsätze und erklärt sich bereit, mit Pretorius eine Frau für das Monster zu schaffen. Pretorius ist dabei die treibende Kraft, Frankenstein immer einen Schritt voraus und der eigentliche mad scientist des Films. Dies ist eine Parallele zu der Gruselserie, in der die Assistenten Frankenstein auch stets die Show stehlen; und in dem intriganten, leicht nekrophilen und komplett geisteskranken Pretorius kann man durchaus einen Großvater von Dr. Finistra sehen. Pretorius tut sich schnell mit dem Monster zusammen. Das hat bei einem blinden Einsiedler sprechen gelernt (allerdings nicht mit der Eloquenz wie im Roman, sondern auf dem Niveau von Tarzan) und ist von der Idee, bald eine Frau zu haben, sehr angetan. Als sich Frankenstein weigert, weiter an der Frau mitzuarbeiten, entführt das Monster Elisabeth, inzwischen Henrys Frau. Zusammen mit Pretorius erweckt Frankenstein (in der vielleicht besten Horrorszene der 1930er Jahre) die Braut (Elsa Lanchester, die in der Rahmenhandlung auch die Mary Shelley spielt). Doch die Braut weist das Monster zischend zurück. Enttäuscht und traurig läßt das Monster Frankenstein und Elisabeth fliehen (darauf hatte die Studioleitung bestanden) und sprengt sich dann mit Pretorius und der Braut in die Luft.

Ich habe diesen Filmen sehr viel Raum gewidmet, weil sie noch immer zu den besten Gruselfilmen gehören (hier sei noch einmal der eigenwillige Stil und der schwarze Humor James Whales gepriesen) und es keinen Frankenstein-Film gibt, der sich nicht irgendwie auf sie bezieht. Von nun an begann der langsame Abstieg der Universal-Reihe, auch wenn der nächste Film noch viel Spaß macht: In Rowland V. Lees "Frankensteins Sohn" (schon der Titel wirkte auf Francis wohl inspirierend) von 1939 kehrt selbiger (Basil Rathbone) auf das Schloß seines verstorbenen Vaters zurück. Dort läßt er sich von dem erfolglos hingerichteten (!) Leichendieb Ygor (Bela Lugosi in einer Bombenrolle) bequatschen, das nach einem Blitzschlag komatöse Monster (Karloff) wiederzubeleben. Das gelingt auch, doch Ygor übt leider einen schlechten Einfluß auf das Monster aus, und so beginnt das Morden wieder, bis die beiden, wenn auch nur für diesen Film, das Zeitliche segnen. Ein unterhaltsamer Film, wie gesagt, noch dazu mit einer hervorragenden Besetzung (vierter im Bunde ist Lionel Atwill als einarmiger Inspektor), doch die Eigenart und Tiefe von Whales Filmen sind dahin, das Monster hat seine Tragik fast völlig eingebüßt (Karloff wirkt entsprechend gelangweilt), und eine Aufzählung der zahllosen Anschlußfehler an die früheren Filme würde hier jeden Rahmen sprengen (die gab es aber auch schon bei "Frankensteins Braut", wie man zugeben muß).

Für die nächste Fortsetzung "Ghost of Frankenstein" (1941) stand Karloff nicht mehr zur Verfügung. Der neue Horrorstar Lon Chaney jr. übernahm Rolle und Maske, konnte mit beidem aber nicht viel anfangen und blieb weit hinter Karloffs Leistungen zurück. Die Universal verfiel nun auf die bedauerliche Idee, verschiedene Horrorfiguren in einem Film auftreten zu lassen, was ja auch Francis mit unterschiedlichem Erfolg ausprobiert hat. In "Frankenstein meets the Wolf Man" (1943) beschränkte sich Lon Chaney jr. auf die Darstellung des Wolfsmenschen, die ihm 1941 zum Durchbruch verholfen hatte. Das Monster spielte nun - besser spät als nie - Bela Lugosi. Er löste aber als Monster mit ungarischem Akzent wahre Lachsalven aus. Nachfolgend spielte Glenn Strange das Monster, konnte aber in den stupiden Nummernrevuen "House of Frankenstein" (1944) und "House of Dracula" (1945) ebensowenig Akzente setzen wie in der Komödie "Abbott und Costello treffen Frankenstein", mit der die Frankenstein-Reihe der Universal ihr witziges, aber unpassendes Ende fand.

Wie schon bei den Dracula-Filmen war es den britischen Hammer-Studios überlassen, Frankenstein mit neuen Impulsen wieder zum Leben zu erwecken: Mit Terence Fishers "Frankensteins Fluch" brachten die Hammer-Studios 1956 den ersten ihrer insgesamt sieben Frankenstein-Filme in die Kinos. Das niedrige Budget wurde ausgeglichen durch den erstmaligen Einsatz von Farbe. Das Monster spielte der damals noch völlig unbekannte Christopher Lee, doch da Hammer die Karloff-Maske aus urheberrechtlichen Gründen nicht verwenden durften, setzte Drehbuchautor Jimmy Sangster das Monster nur als Nebenfigur ein. Tatsächlich würde der Film ohne große Änderungen auch ganz ohne Monster funktionieren. Im Mittelpunkt des Geschehens steht nun (wie im Roman, und das ist schon das Ende der Gemeinsamkeiten) Victor Frankenstein. Den spielt Peter Cushing, der beste Schauspieler in Hammers Diensten. Im ersten Film ist Frankenstein noch eine durch und durch negative Gestalt, wenn auch mit einem gewissen Charme ausgestattet. Aus dem romantischen Schwärmer Colin Clives ist ein zynischer, kalt berechnender Egomane geworden, dem Menschen nichts bedeuten. Warum er gerade einen künstlichen Menschen erschaffen will, bleibt schleierhaft. Weder Weltbeherrschungspläne (dafür wäre ein Monster ja auch etwas wenig) noch die Suche nach medizinischen Neuheiten zum Wohle der Menschheit treiben ihn an, sondern einzig persönlicher Ehrgeiz. Dafür geht er über Leichen und nimmt auch die Morde seines tumben Geschöpfes (das gleich nach seiner Belebung ihm selbst an die Gurgel ging) schulterzuckend hin. Außerdem hat er die schlechte Angewohnheit, irgendwelche Mißgeschicke und Fehler ständig anderen in die Schuhe schieben zu wollen (wie etwa das Verhalten des Monsters, das jeden töten will, der ihm über den Weg läuft, bevorzugt wehrlose Frauen und blinde Greise). Nachdem sein Monster sich in einem Chemikalienbecken verflüssigt hat und er wegen diverser Morde in der Todeszelle sitzt, ist Frankenstein nur noch ein hysterisches Wrack, das alles auf das Monster schiebt, an das aber niemand glaubt.

Erst in der Fortsetzung "Frankensteins Rache" (1958), wieder von Terence Fisher, hat Cushing die Gelegenheit zu einer differenzierten Darstellung, und hier formt er aus dem amoralischen Bösewicht des ersten Films einen vielschichtigen Antihelden. Viele halten diesen Film für den besten Hammer-Frankenstein. Wenn es übrigens einen Frankenstein-Film gibt, der, wenn auch in oberflächlicher Weise, auf die Gruselserie wirklichen Einfluß gehabt hat, ist es dieser: Frankenstein konnte seiner Hinrichtung entgehen und arbeitet in Carlsbruck unter dem Namen Dr. Stein als Arzt, wo er sich auch aufopfernd für Bedürftige einsetzt. In seiner Freizeit bastelt er, unterstützt von seinem Assistenten Kleve und seinem verkrüppelten Faktotum Karl (Michael Gwynn), an einem künstlichen Menschen, dem er schließlich auf dessen eigenen Wunsch Karls Gehirn einsetzt. Es kommt, wie es kommen muß: Durch einen Hirnschaden wird der eigentlich gutmütige Karl im neuen Körper zur reißenden Bestie. Frankenstein wird enttarnt und von seinen undankbaren Patienten zu Tode geprügelt. Kleve aber pflanzt Frankensteins Gehirn in einen neuen Körper, ebenso wie Dr. Giralda es im "Monster-Labor" mit dem Gehirn seines Chefs gemacht hat. Hier wie dort ist Frankenstein nun also mad scientist und Geschöpf zugleich. Und damit nicht genug: Frankenstein setzt sich nach London ab und eröffnet dort eine neue Praxis, und zwar unter dem Namen Dr. Frank. Obwohl das im Film einfach nur eine gute Schlußpointe ist, handelt es sich doch de facto um einen großen Teil des Plots der "Monster-Labor"-Folge. Außerdem begegnen wir in diesem Film erstmals den beiden Decknamen, derer sich die Familie Frankenstein in der Gruselserie bediente (Warum nur geben sie diese deutlichen Hinweise und nennen sich nicht Meier, Schmidt oder Brinkmann?).

"Frankensteins Ungeheuer" (1964) von Freddie Francis knüpft nicht direkt an seine Vorgänger an, sondern erzählt in einem Rückblick eine andere Vorgeschichte. Ansonsten ist der Film von seiner Handlung her eher ein loses Remake von "Frankensteins Sohn". Frankenstein (Cushing) kehrt in sein Heimatdorf zurück und findet sein einstiges Geschöpf in einem Eisblock eingefroren wieder. Mit Hilfe eines Hypnotiseurs erweckt er das Monster (Kiwi Kingston, ein ehemaliger Wrestler) wieder zum Leben. Doch der Hypnotiseur mißbraucht das Monster zu Raubzügen, bis es mal wieder mit Frankenstein bei einer Explosion umkommt. Der Film ist sehr umstritten und gilt den einen als bester, den anderen als schwächster Hammer-Frankenstein. Während Kingston in einer grottenschlechten, grünen (!) Kopie der Universal-Maske als Monster überfordert ist, kann Cushing seine Rolle weiterentwickeln. Er zeigt Frankenstein als einen ernsthaften Wissenschaftler, dessen Arbeit aber von seiner engstirnigen und zum Teil kriminellen Umwelt sabotiert wird. Wirklich schwach ist "Frankenstein schuf ein Weib" (1966) von Terence Fisher. Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein Remake von "Frankensteins Braut", sondern um ein krudes, triviales Sozialdrama, in das Frankenstein, der sich inzwischen mit Seelenübertragung beschäftigt, offensichtlich erst später hereingeschrieben wurde. Fishers "Frankenstein muß sterben" (1968), der düsterste Film der Reihe und eigentlich ein guter Abschluß, läßt den nun wieder völlig skrupellosen, über Leichen gehenden Frankenstein am Ende Opfer seines neuesten Monsters werden. Nachdem die Filme an der Kinokasse immer schlechtere Einspielergebnisse erzielten, versuchten Hammer, neue Wege zu gehen, und tauschten Besetzung und Stab weitestgehend aus. "Frankensteins Schrecken" (1970) von Jimmy Sangster ist ein Remake von "Frankensteins Fluch", allerdings angereichert mit schwarzem Humor und, dem Zeitgeist folgend, ein bißchen Sex. Ralph Bates spielt den völlig amoralischen Frankenstein, das Monster ist David Prowse, der später als Darth Vader in den Star Wars-Filmen die wohl undankbarste Rolle der Filmgeschichte spielen sollte. Der Film fiel bei Kritik und Publikum durch, und so blieb es dem Team Fisher\Cushing überlassen, die Frankenstein-Reihe mit dem schwachen Streifen "Frankenstein and the Monster from Hell" (1973), der es bisher nicht nach Deutschland geschafft hat, zu Grabe zu tragen.

Doch wie schon bei den Dracula-Filmen waren Hammer selbst in ihren schwächsten Stunden nicht in der Lage, den größten Schund mit dem Namen Frankenstein unter die Leute zu bringen. Dies besorgten ab den fünfziger Jahren Dilettanten aus aller Herren Länder. Einige ihrer erstaunlichen Werke seien hier repräsentativ genannt: "Frankensteins Tochter" (USA 1958), "Jesse James meets Frankenstein's Daughter" (USA 1965), "Dracula jagt Frankenstein" (BRD\Italien\Spanien 1970) oder auch "Dr. Frankenstein on Campus" (USA 1970). Und ebenso wie bei den Dracula-Filmen entstand ab den 1970er Jahren eine Gegenbewegung von Filmemachern, die den Frankenstein-Stoff dem Trash entreißen wollten und sich dabei wie nie zuvor an Mary Shelleys Roman orientierten. Hierbei handelt es sich allerdings fast ausschließlich um TV-Produktionen. Glenn Jordans TV-Film "Frankenstein" (1973) ist im Vergleich zu seinen Vorgängern halbwegs werkgetreu und bemüht sich vor allem um eine differenzierte Darstellung des Monsters, das Bo Svenson als gequältes, sensibles Wesen spielt, das an der Ablehnung seiner Umwelt zugrunde geht. Den Frankenstein spielte Robert Foxworth. Die Qualität der Universal- oder auch der besseren Hammer-Produktionen erreicht der Film aber nicht. Reine Werktreue reicht eben, um einen guten Film zu drehen, nicht aus, zumal Mary Shelleys Roman alles andere als ein literarisches Meisterwerk ist.

1973 entstand auch mit "Frankenstein Junior" von Mel Brooks die vielleicht beste Horrorkomödie aller Zeiten. In Schwarzweiß und zum Teil in den Originalkulissen gedreht, parodiert der Film perfekt die Universal-Klassiker mit all ihren berühmten Szenen, Figuren und Klischees. Inhaltlich folgt Brooks vor allem "Frankensteins Sohn". Frankensteins leicht hysterischer Enkel (Gene Wilder) kehrt auf das Schloß seines berühmt-berüchtigten Großvaters zurück und erschafft nach anfänglichem Widerwillen begeistert ein eigenes Monster (Peter Boyle). Der Film ist großartig, setzt allerdings die Kenntnis zumindest der drei Karloff-Filme voraus. Abraten muß ich von der deutschen Synchronfassung, da der Film seine Gags zu einem großen Teil aus nicht übersetzbaren Germanismen bezieht und darüber hinaus auf Nonstop-Nonsens-Niveau eingedeutscht ist.

Die ehrgeizigste TV-Fassung folgte ebenfalls 1973. Entgegen seinem Titel "Frankenstein, wie er wirklich war" ist Jack Smights Zweiteiler keine Romanverfilmung, sondern erzählt die alte Geschichte mit vielen Freiheiten. So wird auch hier ein weibliches Geschöpf erschaffen, und das Monster (Michael Sarrazin) ist zunächst gutaussehend, bevor es sich langsam in einen häßlichen Unhold verwandelt. Frankenstein selbst (Leonard Whiting) ist nur Handlanger zunächst Henry Clervals, dann eines gewissen Dr. Polidori (Richard Mason), der natürlich auch nicht im Roman vorkommt (Mary Shelley hatte nur einen Bekannten gleichen Namens). Entsprechend schlecht waren die Kritiken, die Einschaltquoten waren allerdings sehr hoch, und inzwischen erfreut sich der Film zurecht einer gewissen Wertschätzung. Bei "Seelenlos - Ein Mann spielt Gott" (1984) von James Ormerod handelt es sich um die TV-Fassung eines Bühnenstücks von Victor Gialanella mit Robert Powell als Frankenstein und David Warner als Kreatur. Der Film war weder besonders werkgetreu noch bot er wirklich Neues und war entsprechend schnell vergessen. 1985 legte Frank Roddam mit "Die Braut" ein sehr freies Remake von "Frankensteins Braut" vor. Trotz der Thematik handelt es sich hierbei allerdings nicht um einen Horrorfilm, sondern eher um die nicht sehr aufregende Geschichte zweier Außenseiter, wobei dem Geschöpf (Clancy Brown) ein Happy End gegönnt wird. Die Inszenierung ist aber sehr kitschig geraten, ohne daß man dafür durch irgendwelche guten Ideen entschädigt würde. Frankenstein selbst kommt einmal mehr nicht mit dem Leben davon; gespielt wird er von Sting (ja, dem Sänger!). "Roger Corman's Frankenstein" (1990), die erste Regiearbeit des B-Film-Altmeisters nach fast zwanzig Jahren Pause, ist die Verfilmung des Science-Fiction-Romans "Frankenstein Unbound" von Brian W. Aldiss. Die Wiedergabe der komplizierten Handlung würde hier zu weit führen. Der Film hat viele interessante Ansätze und ein packendes Finale, leidet aber unter seiner billigen Machart, einigen albernen, überflüssigen Mätzchen und den fast durchgehend schwachen schauspielerischen Leistungen der an sich hochkarätigen Besetzung (u.a. John Hurt, Bridget Fonda). Nick Brimble müht sich als Monster redlich, Raul Julia ist als skrupelloser, egoistischer Frankenstein einfach fehlbesetzt. Die bisher letzte TV-Fassung, "Frankenstein" (1993) von David Wickes, bemüht sich mal wieder um Werktreue, was schon damit anfängt, daß er die Rahmenhandlung im Polarmeer aufgreift. Doch auch Wickes nimmt sich manche Freiheiten. So ist das Monster nicht aus Leichenteilen zusammengesetzt, sondern Frankenstein selbst durch mysteriöse chemische Prozesse nachgebildet. Warum es ihm dann nicht ähnlich sieht, sondern von gewohnter Häßlichkeit ist, bleibt Wickes' Geheimnis. Nach seiner Belebung sucht das Monster fluchtartig das Weite, während Frankenstein, von einer Krankheit geschwächt, zusammenbricht. Deshalb ist auch der spätere Vorwurf des Monsters, Frankenstein hätte es im Stich gelassen, sachlich falsch und unbegründet, was Frankenstein aber nicht zu merken scheint. Ein neuer Gedanke ist, daß durch die seltsame Schöpfung Frankenstein und sein Geschöpf innerlich verbunden sind und jeder den Schmerz des anderen fühlt, aber daraus macht der Regisseur nicht allzuviel. Auch die Schauspieler sind durch die Bank schwach, namentlich Randy Quaid ist als Monster absolut überfordert und unfreiwillig komisch. Anstatt, wie die Rolle offensichtlich angelegt ist, ein gequältes, einsames Wesen darzustellen, wirkt er nur wie ein bockiges Kind, dem man seine Bonbons weggenommen hat. Einzig John Mills als blinder Einsiedler und Patrick Bergin als Frankenstein, den er als innovativen und (für Frankenstein-Verhältnisse) relativ verantwortungsvollen Wissenschaftler spielt, liefern solide Leistungen, ohne aber zu beeindrucken.

Beeindrucken sollte dafür die bislang letzte Kinoversion, "Mary Shelley's Frankenstein" (1994) von Kenneth Branagh, der auch den Victor Frankenstein spielt. Wie der Titel schon suggeriert, hält sich Branagh ziemlich genau an Aufbau und Verlauf der Romanhandlung. Wo er sich Freiheiten herausnimmt, stellen sie Verbesserungen dar. Deutlichste Abweichung vom Roman ist die durch Mark und Bein gehende Szene, in der Frankenstein seine vom Monster ermordete Frau Elisabeth (Helena Bonham Carter) wieder zum Leben erweckt. "Mary Shelley's Frankenstein" funktioniert als Thriller ebenso wie als Melodram und als Problemfilm und zeigt zudem eine Reihe neuer Facetten auf. Aus Platzgründen beschränke ich mich auf ein Beispiel: Noch nie ist die sexuelle Komponente des Schöpfungsaktes so herausgearbeitet worden. Durch die neuartige Gestaltung der Laboreinrichtung wirkt er wie eine Zeugung. Man kann den Film also auch als die Geschichte eines schuldlos verstoßenen Sohnes sehen, und folgerichtig bezeichnet das Geschöpf Frankenstein am Ende als seinen Vater. Überhaupt ist die Inszenierung - bei allen Unterschieden - ähnlich kompromißlos wie bei Coppolas Dracula-Film (so gibt die Kameraführung in den entscheidenden Szenen Frankensteins Stimmung wieder), und ähnlich wie dieser ist Branaghs Film sicher nicht jedermanns Sache und polarisiert entsprechend. So scheut er sich nicht vor Unwirklichkeit und opernhaftem Pathos, und wer nur nüchterne Filme schätzt, sollte um diesen einen großen Bogen machen. Die schauspielerischen Leistungen aller Beteiligten lassen nichts zu wünschen übrig. Branagh verkörpert Frankenstein als weltfremden, aber fanatischen Träumer, der Gutes tun will, den Wahnsinn seines Tuns aber zu spät erkennt und seine Verantwortung nur widerwillig übernimmt. Robert De Niro hingegen spielt perfekt die Wandlung des unschuldig von seiner Umwelt Ausgestoßenen zum rachedürstenden Monster. (Besonders hervorgehoben sei noch die Maske von Daniel Parker, die beste seit Karloffs Zeiten.)

Nach Branaghs Streich ist dem klassischen Frankenstein-Stoff eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, eine bisher übersehene Facette, die einen ganzen Film rechtfertigen würde, ist in Mary Shelleys Roman nach zahllosen Adaptionen wohl nur noch schwer zu finden; ob es der Mühe überhaupt wert ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Und tatsächlich ist es um Frankenstein und sein Geschöpf in den letzten Jahren still geworden. Andererseits wird es sich Hollywood angesichts der immer lauter geführten Gendebatte nicht nehmen lassen, dazu - auf welchem Niveau auch immer - filmisch Stellung zu beziehen. Und das ist nichts anderes als der modernisierte Frankenstein-Stoff. Daß Frankenstein mit der Zeit geht, weiß jeder, der einmal die Türklingel auf Schloß Mordabrunn gehört hat; und so wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis Frankenstein geschickt getarnt wieder auf die Leinwand tritt. H.G. Francis wird sicher mit raffinierten Decknamen aushelfen können. (dl)

 
 
 

 

Eine Mail an mich?

Du willst einen Beitrag für den Almanach verfassen?


 

© Die Gruselseiten (22. März 2002)